Gedanke einer wirkungsvollen Abschreckung als streitwertbestimmender Faktor

Berechnung von Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung

UrhG§ 14; ZPO § 2; GKG §§ 12 I 1, 25 III

Bei einer urheberrechtsverletzenden Nutzung von Stadtplanausschnitten kann der Gedanke einer wirkungsvollen Abschreckung als streitwertbestimmender Faktor angesehen werden und dementsprechend wertmäßige Berücksichtigung finden. Dies gilt selbst für nicht sehr erhebliche Verstöße gegen geistige Schutzrechte. (Leitsätze der Redaktion)

OLG Hamburg, Beschluß vom 10. 3. 2004 - 5 W 3/04 (Kartenausschnitte)

Zum Sachverhalt:

Der Ag. betreibt eine Frühstückspension. Er hat auf seiner Homepage zwei kleine Kartenausschnitte zum Abruf zur Verfügung gestellt, die den Anfahrtsweg zu seiner Pension zeigen. Der Verlag, der unbefristete Lizenzen zum Preis von 770 Euro zzgl. MwSt. pro Kartenausschnitt verkauft, hat gegen den Ag. im gerichtlichen Eilverfahren eine Unterlassungsverfügung wegen Verletzung seiner Urheberrechte erwirkt. Inzwischen offeriert der Ast. u.a. eine „Quick-Box“, die durch einen Link von der Homepage abgerufen werden kann und Interessenten die Fahrtroute anzeigt. Der Link zu dieser „Quick-Box“ kostet 60 Euro pro Jahr.

Das LG Hamburg hatte den vorheriger Streitwert im Eilverfahren auf 9000 Euro festgesetzt. Hiergegen hat der Ag. Beschwerde gem. § 25 III GKG eingelegt. Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und auf einen Beschluss des OLG Hamburg v. 25. 9. 2003 (3 W 69/03) verwiesen, worin ausgeführt wird, dass im Rahmen der Bewertung des wirtschaftlichen Interesses eines Ast. an zukünftiger Unterlassung von beanstandeten Verhaltensweisen auch generalpräventive Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Die Streitwertbeschwerde beim OLG Hamburg hatte insoweit Erfolg, als der vorheriger Streitwert auf 6000 Euro herabgesetzt wurde.

Aus den Gründen:

Das LG hat den Ausgangsstreitwert in Höhe von 6000 Euro richtig festgesetzt und diese Festsetzung in dem Nichtabhilfebeschluss vom 18. 12. 2003 zutreffend begründet. Die Ausführungen des Ag. in seinem Schriftsatz vom 2. 1. 2004 rechtfertigen keine abweichende Entscheidung. Sie geben dem Senat Anlass zu folgender Ergänzung:

Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens an seiner Auffassung zu den für die Streitwertbestimmung maßgeblichen Faktoren fest. Ausgangspunkt für die Bemessung des Streitwerts ist das Interesse der Ast. an der

OLG Hamburg: Berechnung von Schadensersatz wegen Urheberrechtsverletzung GRUR-RR 2004 Heft 11 343

Rechtsdurchsetzung bei einer „ex-ante“-Betrachtung. Dieses Interesse ist weder auf einen Vertragsschluss mit dem Ag. als Rechtsverletzer gerichtet, noch wird es durch die möglichen Einnahmen der Ast. durch einen solchen Vertragsschluss begrenzt. Vielmehr geht es der Ast. erkennbar um die wirkungsvolle Abwehr nachhaltiger und eklatanter Verstöße gegen ihre geistigen Schutzrechte und ihre daraus resultierenden Vermögenspositionen. Zwar weist der Ag. zutreffend darauf hin, dass ihm nur einzelne Verstöße anzulasten sind und er grundsätzlich nicht für andere Rechtsverletzer einzustehen hat. Gleichwohl ist die Ast. nicht gehindert, bei der Bemessung des gerichtlichen Streitwerts den Gedanken einer wirkungsvollen Abschreckung angemessen zu berücksichtigen. Denn die Verteidigung von Urheberrechten beschränkt sich nicht auf das Verfolgungsinteresse innerhalb des jeweiligen (potenziellen) Lizenzverhältnisses. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit den gesetzlichen Modifikationen des urheberrechtlichen Schutzes durch das „Gesetz zur Stärkung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Bekämpfung der Produktpiraterie“ vom 7. 3. 1990 mit aller Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass die Unterbindung der (massenhaften) Missachtung geistiger Schutzrechte ein wichtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Die Bedeutung dieses gesamtgesellschaftlichen Interesses wird dadurch unterstrichen, dass im Rahmen von § 106 I vorheriger UrhG - wenngleich verfolgbar nur auf Strafantrag - bereits der Versuch der Begehung einer urheberrechtsverletzenden Handlung mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Hierunter fallen nach dem Gesetzeswortlaut auch reine zivilrechtliche Vertragsverstöße. Diese weitgehende strafrechtliche Sanktionierung ansonsten - im allgemeinen Zivilrecht - straflosen Verhaltens lässt unschwer erkennen, dass ein maßgebliches Ziel der Novelle des Urheberrechts durch das Produktpirateriegesetz die Abschreckung gleichartiger Rechtsverletzungen ist.

Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass diese gesetzgeberische Intention nachhaltig auch bei der Streitwertbemessung Berücksichtigung zu finden hat, und zwar auch gegenüber Rechtsverletzern, deren individueller Verstoß - wie derjenige des Ag. - nicht sehr erheblich ist. Da sich die strafrechtliche Verfolgung derartiger „Bagatelldelikte“ angesichts der heute verbreiteten Überlastung der Strafverfolgungsbehörden trotz des gesetzlich verbrieften Sanktionsanspruchs häufig als „stumpfes Schwert“ erweisen wird, hat der Urheber ein legitimes Interesse daran, dass in der Gesamtbevölkerung bzw. den speziellen Kreisen der Verletzer kein Zweifel über die Tatsache aufkommen kann, dass entdeckte Urheberrechtsverletzungen - sei es durch die Kosten einer vorgerichtlichen vorheriger Abmahnung oder die Kosten eines gerichtlichen Rechtsstreits - empfindlich kostspielig werden können. Im Übrigen belastet eine durch die Streitwertfestsetzung bewirkte angemessene Abschreckung den Verletzer in seinem gesellschaftlichen Achtungsanspruch deutlich weniger als die ansonsten gebotene Einleitung eines Strafverfahrens. Mit diesem Verständnis der streitwertbestimmenden Faktoren bei der urheberrechtsverletzenden Nutzung von Stadtplanausschnitten befindet sich der Senat auch im Einklang mit der Auffassung anderer Oberlandesgerichte.

Bei einer Gesamtwürdigung dieser Umstände hat das LG auch nach Auffassung des Senats den vorheriger Streitwert beanstandungsfrei auf 6000 Euro für einen Verstoß festgesetzt. Der vorgenommenen Erhöhung auf 9000 Euro für zwei Verstoßfälle bedarf es bei der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung nach Auffassung des Senats allerdings nicht. Denn bereits die Höhe des Ursprungsstreitwerts wird nicht in erster Linie von der Höhe entgangener Lizenzeinnahmen, sondern - wie dargelegt - auch von Abschreckungsgesichtspunkten bestimmt. In diesem Rahmen ist es für die Frage der Streitwertberechnung jedenfalls dann ohne ausschlaggebende Bedeutung, ob der Bekl. nicht nur einen Kartenausschnitt, sondern zwei Ausschnitte unbefugt verwertet hat, wenn es sich bei dem zweiten um eine Teil-Vergrößerungsansicht des ersten Ausschnitts handelt. Angesichts der Tatsache, dass etwa das KG mit Beschluss vom 19. 12. 2003 einen vergleichbaren Einzelverstoß mit einem vorheriger Streitwert von 10000 Euro bemessen hat (5 W 367/03), liegen die von dem LG festgesetzten Werte noch im unteren Bereich der nach Sachlage vertretbaren Beträge.